Jeder kennt ihn, niemand mag ihn: Muskelkater. Nach einem intensiven Training fühlt sich der Körper steif, schmerzhaft und unbeweglich an. Doch warum entsteht Muskelkater eigentlich? Kann man ihn vermeiden? Und was hilft wirklich, wenn er da ist?
Die Sportwissenschaft hat in den letzten Jahren viele Mythen rund um Muskelkater korrigiert. Zeit für eine aktualisierte, realistische Einordnung.
Was ist Muskelkater überhaupt?
Der medizinische Fachbegriff für Muskelkater lautet Delayed Onset Muscle Soreness (DOMS). Gemeint ist ein Muskelschmerz, der verzögert auftritt:
- erste Beschwerden meist nach 8–24 Stunden
- stärkster Schmerz nach 24–72 Stunden
- Abklingen innerhalb weniger Tage (meist < 7 Tage)
Halten die Schmerzen deutlich länger an oder gehen mit starken Kraftverlusten einher, sollte eine medizinische Abklärung erfolgen.
Ist Muskelkater gefährlich?
Nein. Muskelkater gilt als harmlose, reversible Anpassungsreaktion des Körpers. Auch wenn die Schmerzen teils stark sein können, hinterlassen sie in der Regel keine bleibenden Schäden.
Wichtig zu wissen:
Muskelkater ist kein notwendiges Zeichen für effektives Training – und kein Garant für Fortschritt. Er zeigt lediglich, dass der Körper mit einer ungewohnten Belastung konfrontiert wurde.
Woher kommt Muskelkater wirklich?
❌ Nicht die Übersäuerung
Früher nahm man an, Milchsäure (Laktat) sei die Ursache. Das gilt heute als widerlegt. Laktat wird innerhalb kurzer Zeit abgebaut und erklärt keinen verzögerten Schmerz.
✅ Was wir heute wissen
Muskelkater entsteht durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren:
- mikroskopische Schädigungen an Muskelstrukturen
- entzündliche Prozesse im Gewebe
- Flüssigkeitseinlagerungen (Ödeme)
- veränderte Schmerzverarbeitung im Nervensystem
Der Schmerz ist also nicht nur mechanisch, sondern auch neurophysiologisch bedingt.
Welche Belastungen verursachen besonders häufig Muskelkater?
1. Ungewohnte Belastungen
Neue Bewegungen, neue Trainingsreize oder der Wiedereinstieg nach einer Pause führen besonders häufig zu Muskelkater – selbst bei moderater Intensität.
2. Hohe Belastung bei Ermüdung
Auch bekannte Bewegungen können Muskelkater auslösen, wenn sie unter starker Ermüdung ausgeführt werden, etwa im Wettkampf oder bei sehr langen Einheiten.
3. Exzentrische Muskelarbeit
Der wichtigste Faktor: exzentrische Belastungen – also Bremsarbeit des Muskels.
Typische Beispiele:
- Bergabgehen oder -laufen
- Abbremsen im Sprint
- Absenken einer Hantel
- Landungen nach Sprüngen
Hier entstehen die höchsten Kräfte im Muskel – und damit das größte Risiko für DOMS.
Kann man Muskelkater vorbeugen?
Der wichtigste Schutz: Gewöhnung
Der Körper passt sich erstaunlich schnell an. Dieses Phänomen nennt man den Repeated-Bout-Effekt:
Wer eine Belastung ein- bis dreimal erlebt hat, bekommt bei gleicher Belastung kaum noch Muskelkater.
Langsame Steigerung
Neue Übungen und Belastungen sollten progressiv eingeführt werden. Das reduziert die Wahrscheinlichkeit für starke Beschwerden deutlich.
Kälte – sinnvoll oder nicht?
Kälteanwendungen (z. B. Eis, Kältebäder) können:
- Schmerzempfinden reduzieren
- subjektiv Erleichterung verschaffen
Sie beschleunigen jedoch nicht die Heilung und können bei häufiger Anwendung sogar Trainingsanpassungen hemmen.
→ sinnvoll als symptomatische Maßnahme, nicht als Regenerationsstrategie.
Was hilft bei bestehendem Muskelkater?
Bewegung statt völliger Schonung
Komplette Ruhe ist nicht notwendig. Lockere, schmerzfreie Bewegung (z. B. Spazierengehen, leichtes Radfahren) kann die Durchblutung fördern und das Wohlbefinden verbessern.
Dehnen
Dehnen verhindert Muskelkater nicht.
Leichtes, vorsichtiges Dehnen kann den Bewegungsschmerz kurzfristig lindern, wirkt aber nicht auf die Ursache.
Wärme
Wärme (z. B. warme Bäder) kann als Wohlfühlmaßnahme angenehm sein. Ein klarer beschleunigender Effekt auf die Regeneration ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Massagen & Rollen
Massagen oder Rollen:
- heilen den Muskel nicht schneller
- können aber Schmerzempfinden und Beweglichkeit kurzfristig verbessern
Sie wirken vor allem über das Nervensystem – nicht durch strukturelle „Reparatur“.
Was hilft nicht zuverlässig?
Für folgende Maßnahmen gibt es keinen gesicherten Beleg, dass sie Muskelkater schneller verschwinden lassen:
- Nahrungsergänzungsmittel
- Medikamente (ohne medizinische Indikation)
- Infrarot- oder Spezialbehandlungen
Fazit
Muskelkater ist kein Feind – aber auch kein Trainingsziel. Er entsteht vor allem durch ungewohnte, exzentrische Belastungen und verschwindet in der Regel von selbst. Die wirksamsten Strategien sind:
- progressive Belastungssteigerung
- regelmäßige Bewegung
- Geduld
Der beste Tipp gegen Muskelkater bleibt deshalb: Trainieren – aber klug.
Und das Beste daran?
Er geht vorbei.
Quellen
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Proske, U. & Morgan, D. L. (2001). Muscle damage from eccentric exercise. Journal of Physiology.
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Wilke, J. et al. (2020). Acute effects of foam rolling on range of motion, muscle function, and performance. Sports Medicine.
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Behm, D. G. et al. (2020). Foam rolling: A narrative review of the current literature. Frontiers in Physiology.
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Afonso, J. et al. (2021). Stretching and range of motion: A systematic review. Sports Medicine.
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Konrad, A. et al. (2022). Effects of foam rolling on performance and recovery. Frontiers in Physiology.


